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Honig und Römische Stadtbienen

Mein Bienenstand befindet sich in einem Garten in Garbatella. Leider wird Apis mellifera von der Hornisse Vespa orientalis stark befallen. In diesem Jahr habe ich viele Bienenvölker verloren. Die Zukunft ist ungewiss.

Ich bin gelernte Gärtnerin und leidenschaftliche Imkerin. Ich mag das ganz "Alte" genauso wie mich das "Zeitgenössische" fasziniert.

2007 gründete ich schliesslich mein Imkereiprojekt Stadtbienenhonig. Es war mir wichtig, die Bienenstöcke auf ungenutzte Dächer im Zentrum von Berlin zu stellen, in Anlehnung an die Eroberung von innerstädtischen Raum im Berlin der 90iger Jahre, mit der Erweiterung, Bienen im Öffentlichen Raum fliegen zu lassen. Es war ein Experiment, denn damals erzählten die alten Imker ihren Nachbarn nicht, dass sie Bienen im Garten stehen hatten. Bienen flogen im Verborgenen und niemand wusste davon, ausser denjenigen, die Honig kauften.

Mein 2. Dach war das Dach vom Aquacarre am Moritzplatz in Kreuzberg. Dorthin kamen viele Freunde. Wir waren dem Himmel so nah, sahen den Bienen am Einflugloch zu und unterhielten uns über die Rolle der Bienen und die Verbindung zwischen ihrem Leben und dem unsrigen.

Mittlerweile lebe ich in Rom. Drei Jahre lang war ich im Park der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo freiberuflich tätig um dort einen Transformationsprozess ins Leben zu rufen. Die Pflege des mehr als 100 Jahre alten Parks soll ökologischer und nachhaltiger gestaltet werden. Der Anfang ist getan. Es wurden u.a. viele junge Bäume gepflanzt, die in Zukunft allen Bienen in der Nachbarschaft als Nektarquelle dienen werden. (Bienenweidegehölze)

Ich liebe Honig und ich liebe es, Bienen zu beobachten. Manche Bienenstöcke leben ewig, andere nur für eine kurze Zeit. Weniger Eingriff in das Geschehen erfordert eine höhere Aufmerksamkeit. Das bedeutet, die Situation wird komplexer und erfordert ein höheres Niveau an Beobachtung und Verständnis. Bienen sind immer künstlerisch tätig – bei der Honigproduktion, beim Wabenbau und natürlich bei der Suche nach Überlebensstrategien. Als Imkerin fungiere ich als Vermittler in dieser Natur-Kultur-Beziehung.

Die besten Ernte-Momente studieren

Honig ist ein Trägerstoff: Honig ist ein Naturprodukt und wird ausschließlich von Honigbienen erzeugt. Die Bienen suchen im Umkreis von max 3 km nach Nahrung. Dabei sammeln sie Wasser, Nektar und Blütenstaub (von außen). Außerdem produzieren sie Enzyme (von innen). Die Herstellung von Honig ist ein komplexer Prozess innerhalb des Bienenstocks. Es ist eine Kombination aus äusseren Umständen wie Wetter und imkerlicher Tätigkeit und natürlich verfügbaren Pflanzenvielfalt und inneren Umständen wie Charakter des Bienenstocks, individuelle Fähigkeit und Verfügbarkeit von Enzymen. Jedes Detail hinterlässt Spuren im Honig. Honig bewahrt ein Gedächtnis. Ich habe viele Studien mit meinen (damals 20) Bienenstöcken in Berlin durchgeführt und führe diese Studien weiter. Jeder Honig erzählt eine eigene Geschichte.

Die mediterrane Flora und das subtropische Klima hier in Rom verhalten sich gegenteilig zu den Rahmenbedingungen im Norden von Europa. Ich bin immer noch in der Experimentierphase. Der neue Rhythmus der Bienenstöcke und die unglaublich vielfältige Bienenflora für guten Honig sind immer noch voller Rätsel. In Rom gibt es im September/Oktober einen zweiten Frühling. In 2022 war die Stimmung und die Temperatur ähnlich eines Frühsommers. Ist das ein Anzeichen für Klimawandel oder nur ein Abweichen?

In 2022 gelang es mir anfangs November Honig zu ernten. Es war mehr als überraschend: Die Farbe, der Geschmack und vor allem der Zeitpunkt des Jahres, alles war aussergewöhnlich. Eriobotrya japonica entpuppte sich als Haupt-Nektarquelle. Dabei handelt es sich um eine eingeführte Baumart, die ursprünglich aus Asien stammt, sich leicht vermehrt und im Oktober zur Blüte kommt. Die weißen Blüten duften wie Marzipan, und so verhält es sich auch mit dem Honig… 

Honig, wenn er in weißen Waben reift, hat einen Glanz. Er stammt aus umgewandeltem Sonnenlicht. Weißes Wabenwerk ist vor allem durchlässig. Nach der Reifung behält der Honig seinen Glanz. Wenn Honig ins Glas fliesst, bildet sich ein Band. Honig rinnt nicht wie Wasser. Honig faltet sich.

Zum Sommerhonig gehören: Robinie, Ailanthus, Ligustrum, Myrte, Malve, Thymian und Honigtau
Im Frühlingshonig finden sich die winterblühenden und früh blühenden Pflanzen: Mandel, Pfirsich und Zitrusfrüchte, Rosmarin, Echium, Lavandula, Viola - bernsteinfarben.

Honig gleicht niemals einem anderen Honig. Honig ist einzigartig, aber steht nie für sich allein. Er ist nicht singulär. Eine ganze Welt spiegelt sich in ihm wider. Kann man ihn dann planetarisch nennen? Die vielen Faktoren, die die Zusammensetzung und Beschaffenheit beeinflussen, wie Witterung, Nektar- und Pollenangebot im Flugkreis, Gesundheitszustand und das Können des Bienenvolkes, seine Behausung, der Standort im Allgemeinen und natürlich die Pflege der Bienen...Alles hat einen mehr oder weniger großen Einfluss. 

erste Notizen zu römischem Stadthonig

In Berlin gab es fünf Haupt-Baumnektarquellen. Dies war die Grundlage für eine gute Nektar- und Pollenversorgung der Bienen und für eine schöne Honigernte. In Rom sind die Baum-Nektarquellen Robinia, Eukalyptus, Ailanthus und es gibt relativ viel Honigtau.

Mein Honig zeichnet sich durch den Geschmack der Hauptbaumarten aus sowie durch einen relativ geringen Wassergehalt (zwischen 14,5 % und 17 %). In diesem Zustand ist frischer Honig eher zähflüssig, reifer Honig im Herbst schon kristallisiert. Ich rühre den Honig nur sehr wenig, um die innere Spannung zu erhalten. Beim Rühren gebe ich daher nur wenig Schwung. Dann kann es passieren, dass der Honig im Winter Honigblüten wirft. Dies ist ihm zu verzeihen. Der Geschmack bewegt sich von blumig zu holzig über minzig bis malzig.

Der erste Honig wird im Mai geerntet, oder schon Ende April. In Rom gibt es viele winterblühenden Pflanzen. In den Gärten stehen viele Zitruspflanzen. Wisteria ist ein Bienenmagnet. Rosmarin über den Mauern hängend, Duftviolen auf den Wiesen, Obstbäume und Zitrusbäume und vielleicht der erste Lavendel - das ist der Frühling. Rötlicher Schimmer.

Im Juni blüht schon der Ailanthus, blumige Note, vereinzelt Linden, minzige Note. Es gibt schon Honigtau, der macht ihn würzig.

Im Juli mischt es sich und wird zum Miele millefiore. Auf dem Land wird er dunkler, wegen der Esskastanien (bitter), in der Stadt blühen die Ligusterarten, langweiliger Geschmack.

Der August wird es waldiger, mehr Honigtau, es blüht schon länger nichts mehr. herber, pflanzlicher

Normalerweise ernte ich mehrmals an den Bienenständen, aber immer nur wenige Waben. Ich achte auf reifen Honig. Mein Honig wird von Hand geschleudert und in jedem Schritt sorgfältig behandelt. Honig ist ein Träger und er hat ein Gedächtnis. Echter Honig ist gesund und regt unseren Geist an. In meiner Imkerei ist es ein Spiel mit vielen Unbekannten und so schmeckt der Honig jedes Jahr anders.

Honiganalyse Berlin

Die Qualität meines Honigs zeichnet sich vor allem durch einen niedrigen Wassergehalt (unter 17,5 %) (pdf 701 Wassergehalt) und eine hohe Invertaseaktivität aus. (https://www.honig-verband.de/waermeschaedenwas-uns-das-enzym-invertase-ueber-honig-verraet)

Dies ist ein Wert, der die Enzymaktivität und die Zuckerumwandlung im Honig anzeigt und gilt als ein Zeichen der Naturürlichkeit selbst. Wird Honig erhitzt oder ist er alt, sinkt der Wert und damit auch die Aktivität. Auf dem globalen Honigmarkt wird ein Mindestwert von 64 gefordert. Bei den Analysen lag mein Spitzenwert über 400.

Einige Inhaltsstoffe, wie z.B. Inhibine (Substanzen, die Bakterien hemmen), sind hitze- und lichtempfindlich. Deshalb ist es wichtig, den Honig für den Verzehr nicht zu erhitzen. Außerdem wird er gerne an einem trockenen, kühlen und dunklen Ort gelagert, also im Schrank.

Ich bevorzuge es, reine Blütenhonige zu ernten. Dies zeigt sich in den jährlichen Honiganalysen durch den elektrischen Leitfähigkeitswert von weniger als 0,5 mS/cm.

Die Pollenanalysen zeigen u.a. auch, wie groß die Pflanzenvielfalt in Berlin ist! Für jede Analyse wurden mehr als 500 Pollenproben untersucht. 

Diese lassen sich auf 25 verschiedene Pflanzen und Pflanzengattungen zurückführen. Ein Traum!

Über mich

Ich beschäftige mich anhand der Bienen mit Mensch-Natur-Beziehungen und bewege mich vor allem im urbanen Raum. Seit ich in Rom lebe gehe ich öfters Wandern. Ich fahre in die Abruzzen und erkunde den zentralitalienischen Apennin. In der Imkerei hat es sich gewandelt: Ich befasse mich weniger mit den sozialen Gegebenheiten, die die Stadtimkerei hervorbringt (Berlin), als vielmehr mit dem Organismus der Bienen an sich: dem Überlebensinn und seinen Strategien einerseits, der Zusammensetzung von Stockwissen (hive-knowlegde) andererseits, und handwerklich widme ich mich dem Bienenwachs. Ich sammle es, reinige es und giesse daraus Kerzen. Die Kerzen sind Teil einer Sammlung. Was den Honig betrifft, er ist wertvoll und es gibt immer zu wenig davon. Er ist und bleibt das kostbarste Gut, mit dem ich in der Welt verhandle.